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Schloss Schwarzburg sieht rot

Das Fassadenkonzept von Architektin Christiane Hille und unten die aktuelle Fassadenansicht des Hauptgebäudes.

Fassaden erhalten die Farbigkeit des 19. Jahrhunderts zurück

Schon im 19. Jahrhundert eilte Thüringen der Ruf als Grünes Herz Deutschlands voraus. Zu den überregional beliebten Sommerfrischen gehörte der Ort Schwarzburg im tief eingeschnittenen Schwarzatal. Dort war das hoch über dem Flusslauf thronende Schloss Schwarzburg die Attraktion, wie unzählige alte Postkartenmotive zeigen. Heute gehört das Schloss zu den am schwersten geschundenen Baudenkmalen in Thüringen – um 1900 dagegen bestimmte die rot gefasste Fassade des intakten Hauptgebäudes weithin sichtbar das Tal. Durch einen brutalen Umbau in den 1940er Jahren stark beschädigt, begann vor einigen Jahren die Sicherung. Nach Dach und Statik soll nun die Fassade folgen. Für die Farbfassung ist die Entscheidung schon gefallen: Es wird wieder das Rot-Ocker des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Bis vor wenigen Jahren bestanden berechtigte Sorgen um den Fortbestand des Schlosses. 1940 hatten die Nationalsozialisten den Umbau begonnen. Am Schloss selbst hatte man den Kirchenflügel und den Leutenberger Flügel abgerissen und auch das verbliebene Corps de Logis entstellt. Dann war das Geld ausgegangen, und die Schlossanlage blieb als Bauruine zurück. Während das Kaisersaalgebäude in den 1970er Jahren restauriert wieder zugänglich gemacht wurde, waren an Zeughaus und Schloss-Hauptgebäude erst ab 2009 Maßnahmen möglich, die über Notsicherungen hinausgingen. Zuerst wurde das Zeughaus in seinem Bestand saniert. Dann kam das Hauptgebäude an die Reihe. Hier war die Sanierung des Dachstuhls und die Neudeckung mit Schiefer vordringlich, parallel dazu wurde das durch die Umbauten geschwächte statische Gefüge stabilisiert. Einer der nächsten Schritte ist nun die Sanierung der Fassaden. Für deren Planung musste die komplexe Bau- und Umbaugeschichte berücksichtigt werden.

An der Ostfassade dominiert der barocke Mittelrisalit mit seinen frei stehenden Säulen, mit dem die Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach ihrer Erhebung in den Reichsfürstenstand ihr gewachsenes Standesbewusstsein signalisierten. Dieses in Thüringen einzigartige sandsteinerne Monument wird restauriert und spielt auch weiterhin die Hautrolle an der Hoffassade. In unmittelbarer Nachbarschaft gilt es aber mit einer schmerzlichen Wunde umzugehen. Wo bis 1940 die Schlosskirche ansetzte, klafft heute ein Loch. Die statisch notwendigen Stahlbetonverstrebungen werden zur Strukturierung dieser Wandöffnung genutzt, die eine Verglasung erhält und an die abgerissene Schlosskirche erinnern soll.

Auch die Westfassade war vom Umbau nicht unbehelligt geblieben. Hier hatte man eine große Öffnung in die Wand gebrochen, die den Blick ins Tal freigeben sollte. Aber auch zuvor war die Fassade nicht streng gegliedert. Die im lebendigen Rhythmus angeordneten Fenster spiegelten die Baugeschichte von der Frühen Neuzeit bis zum 20. Jahrhundert wider. Für die neuen Fenster sollen daher die vorhandenen Öffnungen genutzt werden.

Vom Bekenntnis zu den Spuren der Baugeschichte ist schließlich auch die Entscheidung zur Farbwahl geprägt. Eine Wiederherstellung der barocken Fassaden kommt schon aufgrund der nachträglichen Veränderung der ursprünglich gleichmäßigen Fensterachsen nicht in Betracht, will man nicht jüngere Bauphasen übergehen. Die Fassung der Fassaden in Rot-Ocker aus der Zeit zwischen 1870 und 1890 kann als die jüngste von einer gestalterischen Absicht getragene Neugestaltung gelten. Darüber hinaus ist diese Farbigkeit sogar teilweise noch vorhanden. Künftig wird Schloss Schwarzburg aus der Ferne wieder so wirken, wie es die Besucher der Sommerfrische im Schwarzatal um 1900 gesehen haben.

Franz Nagel

Aus: Schlösserwelt Thüringen, Magazin Herbst/Winter 2014/15

Kategorie: Aktuelles